Wie das "ReEnAct"-Projekt überhaupt entstanden ist . Im Winter 2021 sind ca. 20 Kreative dem Aufruf der Stadt Loitz gefolgt, im Rahmen der Bewerbung um den Titel "Zukunftsstadt" an verschiedenen Herausforderungen mitzuarbeiten:
- Neue Produkte aus Holzabfällen der Firma Pagholz Formteile,
- die Konzeption nachhaltige Werbemittel in Zusammenarbeit mit der Firma Werbung Schröder,
- die Schaffung eines lokalen Netzwerkes zur Lebensmittelveredelung mit der Firma Lângos aus Golchen,
- die Konzeption für eine CO2-neutrale Energieversorgung unter Berücksichtigung einer möglichen Moorbewirtschaftung zusammen mit den Stadtwerken Loitz sowie
- die Entwicklung von Ideen für das Geländer der ehemaligen Stärkemittelfabrik.
Jede einzelne Aufgabe war eigentlich ein Mammutprojekt, wurde aber dennoch als Herausforderung gesehen und durch die jeweiligen Teams in Angriff genommen.
Stärke:re:form-Teams bei der Arbeit
Bei der Ergebnispräsentation der Stärke:re:form-Teams
Eine weitere Hürde: Die fünf Arbeitsgruppen konnten sich wegen der noch bestehenden Corona-Bestimmungen zunächst nur über Videokonferenzen austauschen und ihre Arbeit praktisch erst im August 2021 im Designer-Camp "STÄRKE:RE:FORM" auf dem Gelände der ehemalige Loitzer Stärkemittelfabrik beginnen. Die Ergebnisse des Designer-Camps finden Sie als Youtube-Videos
hier.
Neustart für die CO2-neutrale Energieversorgung 2024 . Die Arbeitsgruppe "Energiebündel" (mit der CO2-neutralen Energieversorgung) konnte in der zur Verfügung stehenden Zeit lediglich ausgewählte Recherchen durchführen, Unternehmen, Wissenschaftler und Landwirte befragen sowie ein erstes, grobes Konzept erstellen -
die Ergebnisse finden Sie hier (PDF/4 MB).
Ursprüngliche Aufgabe der Arbeitsgruppe "Energiebündel"
Für eine konkrete Unterlegung mit Zahlen und Daten fehlte während des 14-tägigen Designer-Camps 2021 ganz einfach die Zeit. Daher haben wir zwei Jahre lang nach Fördermitteln und geeigneten Partnern gesucht, um am Ende doch noch einen konkreten Plan für eine CO2-neutrale Energieversorgung im Amtsbereich zu erstellen. Nach ca. einem Jahr Recherchen, Planung und vielen Gesprächen hatten wir sechs Projektpartner zusammen, mit denen ein konkreter Förderantragsprozess sinnvoll schien. Nach einem weiteren Jahr erhielten wir vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die Zusage. Wie es danach weiterging, dokumentieren wir übrigens laufend in unserem
kleinen Blog ...
Wer von uns macht jetzt was? Mehr zu den Einzelaufgaben im Projekt finden Sie unter
"Projektpartner" ...
Nur ein Plan? Unendlich viele! Energieversorgung ist komplex. Zudem eine nachhaltige und CO2-neutrale. Hier ein paar Aspekte dazu:
- Wind und Sonne als kostenfreie Rohstoffe sind zwar unendlich vorhanden, aber an Jahreszeiten gebunden und regional unterschiedlich.
- Und: Kaum jemand möchte die Anlagen vor seiner Haustür haben.
- Zudem sind bereits viele Anlagen vorhanden, deren aktuelle Kapazität den derzeitigen Stromverbrauch gelegentlich schon abdeckt.
- Allerdings wird der Bedarf in den kommenden Jahren erheblich steigen, wenn dezentral (also bei Einzelgehöften, Einfamilienhäusern und in kleinen Dörfern) vorrangig Wärmepumpen zum Einsatz kommen sollten und gleichzeitig die E-Mobilität (E-Autos, E-Bikes, E-Roller) ansteigt, die Digitalisierung voranschreitet und auch Werkzeuge zunehmend batteriebetrieben funktionieren. Die Wissenschaft geht heute (Elektroenergieverbrauch DE 2023 ca. 470 Mrd. kWh) bis 2050 von einer Verdopplung bis Vervierfachung aus, je nachdem, welche Rolle die Wasserstoffproduktion für die Mobilität und Industrieanwendungen zukünftig spielen wird.
- Für den steigenden Strombedarf müsste auch der Netzausbau vorangetrieben werden.
- Eine weitere Baustelle ist eine CO2-freie Wärmeversorgung. Dafür gibt es nicht nur den einen Weg der strombasierten Wärmepumpe. Wieviel Gas aus der Biogasanlage könnte oder müsste das fossile Erdgas ersetzen, und haben wir genügend biogene Quellen dafür? Was ist mit anderen Alternativen wie Pelletheizung, Solarthermie u.a.? Ab wann lohnt sich ein Wärmenetz für ländliche Gemeinden?
- Aus Reststoffen der Land- und Forstwirtschaft sowie lokaler Produzenten (z. B. Pagholz) könnten gut handelbare Zwischenprodukte (Pyrolyse-Kohle bzw. Holz-Pellets) erstellt und dezentral eingesetzt werden. Diese stünden dann allerdings nicht mehr eine zentralen Wärmeversorgung für ein Nahwärmenetz zur Verfügung.
- Der ohnehin vorhandene (und zu entsorgende) Klärschlamm könnte über vorhandene Prozesswäme getrocknet und später zur Energiegewinnung verbrannt bzw. gasifiziert werden. Wenn das nicht eine Nachbargemeinde unternimmt.
- Wasserstoff ist (noch) ein teurer Energiespeicher, dessen Anwendung in der Zukunft in vielen Bereichen gefragt sein wird und derzeit in der Mobilität am wirtschaftlichsten eingesetzt werden kann. Mit dem Markthochlauf wird Wasserstoff in sehr vielen Sektoren Verwendung finden.
- Eine Biogasanlage ist im Amtsbereich vorhanden; ein deutlicher Ausbau ist momentan wohl wenig sinnvoll/wahrscheinlich, oder?
- Die Nutzung von Biogas (und/oder Wasserstoff) für Landmaschinen wird bereits in Pilotprojekten untersucht, es fehlt allerdings an konkreten (bezahlbaren) Angeboten für den Alltagseinsatz.
- Moore binden riesige Mengen an CO2, allerdings wird das derzeit nicht vergütet.
- Außerdem wird die Wiedervernässung oft skeptisch betrachtet, weil einige Flächen durchaus noch landwirtschaftlich genutzt werden.
- Oder ohnehin geschützt sind.
- Außerdem müsste im Detail geschaut werden, ob die Mahd auf solchen Flächen nicht besser als Tierfutter verwendet wird, als sie zu trocknen und zu verbrennen.
- Auch eine stoffliche Umwandlung in organische Dämmstoffe oder Spezialpapiere wäre denkbar, stünde dann aber nicht mehr der Energiegewinnung zur Verfügung.
- Und ob die Nutzung der Flächen für hoch aufgeständerte Solaranlagen (Moor-PV) ggf. (erlaubt und) sinnvoller ist.
- Welcher Rohstoff stünde also am Ende für die Strom- und Wärmeversorgung in welchen Größenordnungen überhaupt langfristig zur Verfügung? Welche Alternativen gäbe es?
- Und zu welchem Preis wäre letztlich überhaupt eine Kilowattstünde produzierbar?
- Und was ist mit Energiespeichern (Batteriespeicher, Wasserstoff, Warmwasserspeicher ...)? Wieviel sollten wir als Region dezentral speichern, und was passiert zentral?
- Ist Energieautonomie überhaupt möglich und auch sinnvoll oder sollten wir lieber eng mit den Nachbarregionen kooperieren?
- Und wer sollte die Investition überhaupt tragen, damit wir als Verbraucher von einem möglichst niedrigen Preis profitieren oder die Gemeinde an den Gewinnen beteiligt wird? Machen wir das über die Stadtwerke Loitz? Oder gründen wir eine Genossenschaft?
- ...
Allein wenn wir alle die hier bereits aufgelisteten Aspekte berücksichtigen würden, käme ein sehr detailreicher Plan zustande, wahrscheinlich sogar viele verschiedene, weil es unterschiedliche Ansichten gibt, welche Bedeutung wir den einzelnen Aspekten zumessen, was wir vielleicht ausklammern und in die Betrachtungen einbeziehen. Windenergie z. B. ist zwar sehr effizient und die derzeit mit Abstand preiswerteste Methode der Energieerzeugung, aber auch vor Ort recht umstritten (Landschaftsbild, Naturschutz, Flächenverbrauch ...).
Lokale Wertschöpfung und Arbeitsplätze . Wichtig bei alldem ist uns, dass die lokale Wertschöpfung im Amtsbereich deutlich steigt. Energie ist die Grundlage jeder Wirtschaft. Nach dem Aus der (schon immer umstrittenen,) zentralen Energieversorgungssysteme (Atomkraft, Kohlekraftwerke ...) haben wir nun vielfältige Möglichkeiten, unsere Energie regional zu erzeugen. Und je smarter sie ist (also wenn Wind weht, werden Autos geladen und die Waschmaschine startet), desto besser. Je mehr Energie wir in der Region (selbst) erzeugen, um sie direkt vor Ort zu nutzen oder selbst in chemische Energieträger umzuwandeln und zu exportieren, desto mehr (hochwertige) Arbeitsplätze entstehen und desto mehr Steuern und Abgaben bleiben in der Gemeinde und machen sie lebenswerter. Attraktiver. Resilienter. Und enkeltauglicher.
Wer entscheidet jetzt eigentlich? Kurze Antwort: Sie. Wer die Energie kontrolliert, kontrolliert letztlich nicht nur die Wirtschaft, sondern auch unsere Kommunikation, Unterhaltung, Mobilität und Lebensqualität. Daher sollten wir unsere Energieversorgung sorgsam planen und am besten in die eigenen Hände nehmen. Bei Kohle, Öl und Gas können wir das nicht; hier werden wir (völlig unabhängig von der CO2-Bilanz) immer von den Märkten, der Politik und aufwändigen Importen abhängig bleiben. Daher haben wir das ReEnAct-Projekt so konzipiert, dass am Ende nicht irgendein "Versorger" oder "Investor" wieder alles verspricht, entscheidet und kontrolliert, sondern Sie, die Einwohner.
Wie soll das funktionieren? Kurzgesagt: Mit Hilfe von Bürgerbeteiligung (Details zum Anliegen sowie den Methoden und Regeln finden Sie auf unserer
Bürgerbeteiligungsthemenseite). Die umfasst ganz unterschiedliche Methoden, um die Stadt- und Gemeindevertretungen bei komplexen, schwerwiegenden oder unbeliebten Problemen zu unterstützen, indem das jeweilige Problem in eine (nach speziellen Vorschriften) zustandegekommenen Arbeitsgruppe übergeben wird, die sich durch Experten schulen lässt, Betroffene anhört und dann Lösungsvorschläge erarbeitet und an die Parlamentarier zurückgibt. Die Stadt- und Gemeindevertretungen prüfen dann die Empfehlungen und setzen sie im besten Falle um.
Ist das diese "Planungszelle"? Genau. Eine Planungszelle ist eine von vielen Methoden der Bürgerbeteiligung, die sich besonders in Städten und Gemeinden eignet, weil der Aufwand deutlich geringer ist als zum Beispiel der für einen Bürgerrat. Zu Beginn formuliert ein Beirat aus Verwaltungsfachleuten und der Politik eine konkrete Aufgabenstellung und verspricht die sorgfältige Prüfung sowie das ernsthafte Bemühen einer Umsetzung. Die Planungszelle selbst besteht aus 25 Personen, die zu Beginn ihrer Arbeit von Experten verschiedener Sachgebiete zum Thema geschult werden und anschließend in wechselnden Kleingruppen nach Lösungen für Ihre Problemstellung suchen. Der Aufwand beträgt ca. vier Tage und wird natürlich entschädigt. Die Ergebnisse werden am Ende der Öffentlichkeit präsentiert. Der gesamte Prozess ist transparent und von außen nachvollziehbar.
Und - Lust mitzumachen?